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aare zeitung, 15. februar 2013
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Ein griffiger Gegenvorschlag,
ohne Schaden für die Wirtschaft
Volksabstimmung vom 3. März 2013 «gegen die Abzockerei»
Für die überrissenen Löhne
und Boni, welche in den
Chefetagen mancher Schwei-
zer Konzerne an der Tages-
ordnung sind und waren,
gibt es keine Rechtfertigung.
Folgerichtig wird am 3.
März auch gar nicht mehr
entschieden, ob man gegen
Abzockerei vorgehen soll –
sondern nur noch, wie. Zur
Auswahl steht einerseits eine
Initiative mit einem knacki-
gen Titel, hinter der sich 24
starre Vorschriften für Aktio-
näre und Pensionskassen
verbergen. Und andererseits
der Gegenvorschlag, der den
Aktionären Instrumente in
die Hand gibt, die Abzocke-
rei wirksam zu bekämpfen.
Initiative mit gefährlichen
Nebenwirkungen
Thomas Minder ist zugute zu
halten, dass er die wichtige Dis-
kussion angestossen hat. Lei-
der hat seine Initiative mehrere
Konstruktionsfehler. Sie gibt
zwar vor, die Aktionärsrechte
zu verbessern, beinhaltet in Tat
und Wahrheit aber diverse un-
sinnige Zwangsvorschriften und
Strafandrohungen.
Eindeutig zu weit gehen bei-
spielsweise die Bestimmungen
für Pensionskassen. Sie wären
gezwungen, an den Generalver-
sammlungen aller Unterneh-
men, von denen sie Aktien hal-
ten, aktiv teilzunehmen. Führt
man sich vor Augen, dass selbst
kleine Vorsorgeeinrichtungen
bis zu 100 verschiedene Titel
im Portfolio halten, wird die Ab-
surdität dieser Vorschrift rasch
klar. Die Folge wäre eine teure,
unnütze Bürokratie, finanziert
mit unseren Rentengeldern.
Auch aus personalpolitischer
Sicht können die Unternehmen
mit der Initiative nur verlieren.
Die Saläre der Geschäftsleitung
sind gemäss Minder zwingend
von den Aktionären abzuseg-
nen. GL-Mitglieder kündigen
aber selten termingerecht auf
eine GV. Sollen die Neuen etwas
mehr verdienen als ihre Vorgän-
ger, müsste also zwingend eine
solche einberufen werden. Wer
derart umständlich operieren
muss, hat auf dem internatio-
nalen Kadermarkt einen schwe-
ren Stand.
Gegenvorschlag im Interesse der
Angestellten
Wenn sich die Schweiz mit die-
ser Initiative das strengste Ak-
tienrecht der Welt verpasst,
hat das aber noch weitreichen-
dere Folgen. Machen wir uns
als Standort für börsenkotierte
Unternehmen unattraktiv, ste-
hen Steuereinnahmen und
Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Und es trifft keineswegs nur
UBS-Banker, Novartis-Manager
oder Ingenieure der ABB. Nur
zu gerne geht vergessen, dass
unsere KMU-Wirtschaft auf Zu-
lieferaufträge dieser Unterneh-
men angewiesen ist. Der Blu-
menladen um die Ecke wäre ge-
nauso betroffen wie das Grafik-
büro zwei Strassen weiter oder
der Hersteller von Halbfabri-
katen im Nachbardorf. Es trifft
uns alle, wenn die Schweiz der
Wirtschaft Knüppel zwischen
die Beine wirft.
Zum Glück kann die Abzocke-
rei effizienter bekämpft wer-
den, ohne Flurschaden anzu-
richten.
Der Gegenvorschlag des Par-
laments enthält alle wichtigen
Forderungen Minders, gibt den
Aktionären aber mehr Gestal-
tungsfreiheit. Ob Jungfraubah-
nen oder Nestlé als Eigentü-
mer können sie die jeweilige Si-
tuation ihrer börsenkotierten
Firma bei der Umsetzung be-
rücksichtigen. Und der Gegen-
vorschlag wirkt nicht nur geziel-
ter, er kann auch viel schneller
in Kraft treten als die Initiative,
für welche die gesetzlichen Be-
stimmungen erst noch ausge-
arbeitet werden müssten. Ich
stimme mit Überzeugung Nein,
um der besseren Lösung zum
Durchbruch zu verhelfen.
von Nationalrat Thomas Weibel,
Präsident der Schweizer Kader
Organisation (SKO)
Bild: zVg
Nationalrat Thomas Weibel, Präsident der
Schweizer Kader Organisation (SKO)
Nein zu tieferen Renten durch
die Minder-Initiative
Ein Passus der Minder-In-
itiative verursacht für die
Pensionskassen unnötige
Zusatzkosten. Am Ende fehlt
dieses Geld den Versicher-
ten im Rententopf. Darum
ist die kontraproduktive
Vorlage abzulehnen.
Was gut gemeint ist, entpuppt
sich manchmal als Eigengoal. In
bester Absicht fordert die Min-
der-Initiative die Pensionskas-
sen auf, ihre Stimmrechte an
allen Generalversammlungen
börsenkotierter Unternehmen
«im Interesse der Versicherten»
wahrzunehmen. Zuwiderhand-
lungen sollen mit Geld- und Ge-
fängnisstrafen von bis zu drei
Jahren geahndet werden. Was
auf dem Papier gut tönt, ist in
der Praxis nur schwer umzuset-
zen. Auf alle Fälle erhöht der zu-
sätzliche Aufwand die Verwal-
tungskosten für die Pensions-
kassen. So ist jede und jeder
durch die negativen Folgen der
Volksinitiative direkt betroffen.
Umsetzung erhöht
Verwaltungskosten
Der Pensionskassenverband
ASIP empfiehlt seinen Mitglie-
dern schon seit mehr als zehn
Jahren, ihre Stimmrechte aus-
zuüben. Der rigide Stimmzwang
in Verbindung mit der Gefäng-
nisdrohung führt nun aber
dazu, dass die Pensionskassen
künftig für jede Generalver-
sammlung unzählige Traktan-
den sehr detailliert analysie-
ren müssen, statt sich auf das
Wesentliche zu konzentrie-
ren. Das Studium der Unterla-
gen von durchschnittlich rund
50 bis 100 im Portfolio gehal-
tenen Firmenanteilen kostet
viel Zeit und setzt spezialisier-
tes Wissen voraus. Mit der Min-
der-Initiative würde damit pro
Pensionskasse bei eigenständi-
ger und verantwortungsbewuss-
ter Wahrnehmung der Stimm-
rechte ein zusätzlicher Auf-
wand von rund 150 bis 300
Arbeitsstunden pro Jahr hinzu-
kommen. Das sind Mehrkosten,
die gerade die zahlreichen klei-
nen der insgesamt 2200 Pen-
sionskassen sowie ihre Versi-
cherten treffen.
Warnungen von allen Seiten
Mit der Warnung vor den Fol-
gen der Initiative steht der Pen-
sionskassenverband nicht al-
leine da. Auch der Bundesrat,
das Parlament, die meisten
Parteien und selbst unabhän-
gige Stimmrechtsberater wie
die Anlagestiftung Ethos haben
deutlich gemacht, dass die Min-
der-Initiative nicht im Interesse
der Versicherten sei. Sie ist da-
rum abzulehnen. Mit dem Nein
zur Initiative wird automatisch
der Weg frei für den Gegenvor-
schlag, der griffige Massnahmen
gegen überrissene Löhne vor-
sieht, ohne aber die Versicher-
ten derart negativ zu treffen wie
mit der Minder-Initiative.
Von Christoph Ryter,
Präsident des Schweizerischen
Pensionskassenverbands ASIP
Bild: zVg
Christoph Ryter, Präsident des Schweize-
rischen Pensionskassenverbands ASIP