Page 3 - Oltner Woche - KW 06 - 2016
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DONNERSTAG, 11. FEBRUAR 2016 AKTUELLES / KOLUMNE SEITE 3 FORTSETZUNG FRONT Es gehe darum, eine Weiterbil- Moment mal... dungsstrategie zu entwickeln, welche Dequalifizierungen vor- beugt, Antworten auf mögli- che Gesundheitsprobleme be- reit halte, die berufliche Moti- vation bewahre, Berufswech- sel und horizontale Karrieren Ritalin für ermögliche, und zwar in ei- nem Umfeld, das sowohl von die Eltern persönlichen, technologischen und betrieblichen Veränderun- gen wie auch von einer über- HHH Zeitplan der Eltern nicht bloss aus vielfältigen Bildungswelt durch ihrer beiden Berufe zu- mit unterschiedlichsten Ange- Wir leben in einer hyperaktiven stande kam, sondern auch durch boten geprägt sei. «Es wäre ver- (Kinder-)Welt. Neulich habe ich in die übrigen Aktivitäten neben den messen, zu behaupten, der Ein- der «Frankfurter Allgemeine Zei- Berufen. Yoga, Vereinsaktivitäten zelne könne unter allen Bedin- tung (FAZ)» einen hochinteres- von ihm und ihr, Kaffee-Klatsch gungen seine Verantwortung Bild: zVg santen Bericht gelesen. Da stand mit Freundinnen, Kegelabend mit im Bereich der Weiterbildung Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse, fordert die Arbeitgeber auf, geschrieben, dass in Deutschland Kollegen, Fussball, Mitwirkung im wahrnehmen. Je nach Situa- Ihre Mitarbeiter im Bereich Weiterbildung aktiv zu unterstützen. mittlerweile jedes vierte oder so- örtlichen Literatur-Club, monatli- tion muss er unterstützt wer- gar dritte Kind (je nach statis- ches Ehepaar-Weekend, usw., usw. den», lautet Adrian Wüthrichs dieses Fehlen korrigiert. «Mit überlässt es der Selbstverant- tischer Quelle) unter 15 Jah- Das erforderte eine minutiöse Fa- Schlussfolgerung. Artikel 5.2 WeBiG gehört nun wortung der einzelnen Betriebe ren Physiotherapie, Ergotherapie milien- und Zeitplanung, an die die Weiterbildung eindeutig dies zu definieren. Wüthrich oder Sprachtherapie verordnet sich auch die Kinder zu halten hat- Weiterbildung zum Thema auch zur Fürsorgepflicht des ist jedoch der Meinung: «Ar- bekommt, weil es als hyperak- ten. Und wenn dann nach Abzug machen Arbeitgebers. Er hat – wie es beitgeber, welche im Bereich tiv, gestört oder verhaltensauffäl- von Haushalt, Kochen, Waschen, Deshalb verlange das neue das Weiterbildungsgesetz sagt – der Weiterbildung zugunsten lig gilt. Zu lesen war im Artikel Putzen, Rasenmähen und Auto- WeBiG von Bund und Kanto- die Weiterbildung seiner Mitar- der Mitarbeitenden nichts un- auch, dass in der Regel nicht der waschen noch fünf Minuten übrig nen, dass sie Voraussetzungen beitenden zu begünstigen und ternehmen, handeln aber nicht zuständige Kinderarzt die Dia- blieben, sanken beide Eltern völlig schaffen, die allen Personen die damit die Arbeitsmarktfähig- selbstverantwortlich, sondern gnose stellt, sondern die Lehrer erschöpft auf das Sofa, genehmig- Teilnahme an Weiterbildung keit seiner Mitarbeitenden zu unverantwortlich.» und Schulpsychologen. So stehen ten sich in aller Ruhe ein wohlver- ermögliche. Aber auch von öf- erhalten», betont Adrian Wüth- die Eltern dann nicht selten im dientes Glas Wein und schauten fentlichen und privaten Ar- rich. Was das für den Arbeit- Besprechungszimmer ihres Arz- gemeinsam und entspannt Fern- beitgebern, dass sie die Weiter- geber konkret bedeutet, darü- Walter Ryser tes und haben nicht bloss die Di- sehen oder machten Ferienpläne, bildung ihrer Mitarbeiter «be- ber sagt das Weiterbildungsge- agnose, sondern auch gleich noch um sich im Sommer endlich mal günstigen». Das Wort «begüns- setz allerdings nichts aus. Es einen Therapievorschlag mit da- so richtig zu erholen. Kommt ih- tigen» lasse sich aber nicht mit bei. Der Arzt muss bloss noch die nen das bekannt vor? «Nichtstun» interpretieren, be- TRAVAIL.SUISSE entsprechende Verordnung unter- Wissen Sie, welche Diagnose der merkt der Präsident von Tra- Travail.Suisse ist eine Dachorganisation, der elf Verbände angehö- zeichnen. Kinderarzt wirklich gestellt hat? vail.Suisse. «Im Gegenteil: Das ren. Diese Verbände vertreten 150’000 Mitglieder aus den verschie- Ein Schelm ist, wer beim Le- Er teilte den Eltern mit, dass Leon neue WeBiG fordert von den Ar- densten Branchen und Bereichen der Privatwirtschaft und des sen dieser Zeilen denkt, in der unter einem Erziehungsdefizit beitgebern, die Weiterbildung Service public. Travail.Suisse vertritt die Interessen der Mitglie- Schweiz sei das anders. Ganz si- leide. Wir leben in einer Welt, die ihrer Angestellten in den Un- der dieser Verbände in Politik und Wirtschaft. Oberstes Ziel ist da- cher? Sicher, nicht, denn auch uns alles bietet und von der wir al- ternehmen zum Thema zu ma- bei, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche den Arbeitnehmen- hierzulande nimmt die Anzahl les haben wollen – jetzt und sofort: chen.» den gute Arbeitsbedingungen, eine solide Aus- und Weiterbildung der verhaltensgestörten und hy- Einen guten Job, Freizeitaktivitä- und eine verlässliche soziale Absicherung gewährleisten. Travail. peraktiven Kinder laufend zu, ten, ein schönes Eigenheim, Fe- Obwohl unbestrittenermas- Suisse hat Einsitz in Expertengruppen und ausserparlamentari- werden Therapien und haufen- rien, Unterhaltung, Kino, gesellige sen auch das berufliche Fort- schen Kommissionen und nimmt im Rahmen des Vernehmlas- weise Ritalin verordnet. Und die Anlässe, sportliche Aktivitäten, kommen des Arbeitnehmers zu sungsverfahrens zu allen arbeitnehmerrelevanten Gesetzesände- Kinder- und Hausärzte schweigen. Wellness, Zeit mit Freunden und den «geschützten Persönlich- rungen Stellung. Verstärkt wird diese Tätigkeit durch konsequente Warum nur? Weil sie es mit ih- Kollegen, Vereinsaktivitäten eine keitsrechten» gehöre, fehle im Öffentlichkeitsarbeit. Travail.Suisse hat die Tätigkeit am 1. Januar rer Kundschaft nicht verscherzen erfüllte Partnerschaft und natür- OR bisher eine ausdrückliche 2003 aufgenommen. Die Dachorganisation wird von Adrian Wüth- wollen. Im FAZ-Artikel kam näm- lich auch Kinder. Doch genau letz- Regelung bezüglich Weiterbil- rich präsidiert. Die Geschäftsstelle befindet sich in Bern. lich auch ein Kinderarzt zur Spra- tere sind anstrengend und zeitrau- dung. Mit dem WeBiG werde che, der eine solche Familie in sei- bend und passen so gar nicht mit nem Sprechzimmer empfing und all den andern Aktivitäten und sich herausnahm, das scheinbar Wünschen zusammen. Deshalb therapiewürdige Kind genauer un- hat der Kinderarzt den Familien- In eigener Sache ter die Lupe zu nehmen, wohlver- und Zeitplan von Leons Eltern Neuer Verleger und Partner standen, gegen anfänglich erhebli- komplett auf den Kopf und Leon erste Stelle der elterlichen Akti- chen Widerstand der Eltern. Und wissen Sie, zu welchem vitäten gesetzt. Er hat ihnen Zeit Mit der heutigen Ausgabe kön- Schluss er gekommen ist? Er hat mit Leon verordnet, gemeinsam nen wir bekanntgeben, dass der festgestellt, dass das untersuchte, und getrennt. Und siehe da, Leon frühere Journalist und Kom- siebenjährige Kind, nennen wir es galt bereits nach wenigen Wochen munikationschef Hervé Dubois Leon, gerne auf Bäume klettert, in der Schule nicht mehr als ver- die Funktion des Verlegers un- sich auf Baustellen herumtreibt haltensauffällig, sondern als auf- serer Zeitungen übernimmt. und Lastwagen begutachtet, mit merksamer, intelligenter und so- Als neuer Mitinhaber unserer dem Fahrrad um die Häuserblocks zial gut integrierter Schüler. Mediengruppe wird er ab so- rast und gerne seine drei älteren Was lernen wir daraus: Wenn dem- fort im Verwaltungsrat aller Schwestern neckt. Für den Kin- nächst ein Elternpaar mit seinem Aktiengesellschaften des Kon- derarzt war nach einer eingehen- hyperaktiven Kind in einer Arzt- zerns Einsitz nehmen und die den Untersuchung und Gesprä- praxis auftaucht, täte der Doktor Aufgabe des Verlegers sämtli- chen mit dem Kind klar, dass er gut daran, den Eltern Ritalin zu cher Zeitungen wahrnehmen. es hier mit einem ganz norma- verschreiben, damit sie ihre Ak- len, dem alter entsprechend ent- tivitäten drosseln und sich mehr Der 65-jährige, zweispra- wickelten Kind zu tun hatte, für Zeit für ihr Kind nehmen kön- chig aufgewachsene Neuen- das keinerlei Therapie oder me- nen. Denn die Defizite sind offen- burger Hervé Dubois arbeitete dikamentöse Behandlung erfor- bar viel häufiger bei den Eltern als nach seinem Studium der Wirt- derlich war. Das einzige Problem bei den Kindern zu suchen. Damit schaftswissenschaften und Pu- war bloss, dass Leon kaum Gele- hätten dann auch die Lehrer wie- blizistik an der Hochschule St. Bild: zVg genheit hatte, auf Bäume zu klet- der mehr Zeit, die Kinder auszu- Gallen während 21 Jahren als Hervé Dubois tern, sich auf Baustellen aufzuhal- bilden, statt diese zu erziehen und Journalist (Printmedien, Agen- ten, Lastwagen anzuschauen und therapieren zu lassen… tur und Radio). Während die- rufslebens war er Kommuni- in dem die Geschichte des Kom- mit seinen Schwestern zu spielen. ser Zeit war er unter anderem kationsleiter der WIR Bank am plementärsystems WIR und Dazu liess ihm der knappe Zeit- auch als Zentralpräsident des Hauptsitz in Basel und Mitglied dessen wirtschaftlichen Bedeu- plan der beiden berufstätigen El- Walter Ryser Schweizerischen Journalisten- der Direktion. Nach seiner früh- tung beleuchtet wird. tern keine ausreichende Gelegen- Redaktioneller Mitarbeiter verbandes tätig. In den letzten zeitigen Pensionierung schrieb heit. Der Kinderarzt stellte näm- 19 Jahren seines aktiven Be- er das Buch «Faszination WIR», lich weiter fest, dass dieser knappe HHH
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