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aare zeitung, 15. februar 2013
seite 3
INTERVIEW
In Olten entstehen neue Arbeitsplätze
Olten befindet sich im
Umbruch. Zahlreiche Baupro-
jekte verändert das Stadtbild
nachhaltig. Zudemmuss die
Gemeinde wegen ausbleiben-
den Steuereinnahmen den
finanziellen Gürtel enger
schnallen. Ein Balanceakt für
die verantwortlichen Politi-
ker und Behördenvertreter.
Stadtpräsident Ernst Zingg
sagt im Interview mit der Aare
Zeitung, wie man diese heikle
Situation meistern will.
Ernst Zingg, das neue Jahr
begann für Olten mit einer
Hiobsbotschaft. Die Stadt ist
zum Sparen gezwungen, weil
Steuereinnahmen von juris-
tischen Personen in der Höhe
von rund 20 Millionen Fran-
ken fehlen. Wo werden Abstri-
che gemacht?
Ernst Zingg, Stadtpräsident Ol-
ten: An einem speziellen Work-
shop hat der Stadtrat die neue
Situation im Detail analysiert
und dabei folgendes beschlos-
sen: Die laufende Rechnung der
Stadt muss, trotz sinkender Ein-
nahmen, aus eigenen Mitteln,
das heisst aus Geldaufnahme für
diesen Zweck, bestritten werden
können. Konkret bedeutet dies
für das Jahr 2013 eine rasche
Anpassung der Investitionsrech-
nung auf das maximal langfristig
verdaubare Mittel (rund 15 Mil-
lionen Franken) und deutliche
Kostenreduktionen in den Be-
reichen Sach- und Personalauf-
wand. Die Kriterien wurden mit
den Verwaltungsleitungen de-
finiert. Die Detailarbeit hat be-
reits begonnen. Damit aus der
laufenden Rechnung kein Geld-
abfluss resultiert, müssen Sach-
aufwand, Personalaufwand und
Beiträge für das laufende Jahr
im Umfang von gegen 9 Millio-
nen Franken gekürzt werden. Bei
den Entscheidungen sind regle-
mentarisch/gesetzliche und ver-
tragliche Verpflichtungen, sowie
bereits laufende Prozesse zu be-
rücksichtigen.
Wird es auch zu Entlassungen
beim Personal kommen?
Zingg: Nein. Es werden vorder-
hand keine neuen Stellen ge-
schaffen und befristete Stellen
werden nicht mehr verlängert.
«Die starken anderen juristi-
schen Personen sind nicht in
der Lage, die Ausfälle von Alpiq
zu kompensieren.»
War Olten in den letzten Jah-
ren im Bereich der Steuerein-
nahmen zu stark vom kriseln-
den Energiekonzern Alpiq
abhängig und hat man diese
Situation falsch eingeschätzt?
Zingg: Die Stadt Olten hat jah-
relang sehr stark von hohen
Steuereinnahmen im Bereich ju-
ristischer Personen profitiert. In
all den sogenannt guten Jahren
konnten auch gewisse Reserven
geschaffen werden. Das Klum-
penglück Alpiq wurde immer
auch als Klumpenrisiko betrach-
tet. So hat man bereits in den
Vorjahren gewisse Einnahmen-
anpassungen vorgenommen.
Die recht hohen Steuernach-
zahlungen führten trotzdem zu
sehr guten Abschlüssen. Neben-
bei haben die Steuereinnahmen
im Bereich natürlicher Perso-
nen um 12 Prozent zugenom-
men. Dies zeugt von der Attrak-
tivität «Wohnen in Olten» und
gibt der entsprechenden stadt-
rätlichen Strategie recht. In den
letzten zwei Monaten hat sich
nun aber die Situation bei Alpiq
stark verändert und/oder akzen-
tuiert und damit die Stadt Olten
zu dem nun beschlossenen fle-
xiblen Handeln gezwungen. Die
sehr «starken» anderen juristi-
schen Personen sind nicht in der
Lage, die Ausfälle von Alpiq zu
kompensieren.
Wie die Oltner auf die Spar-
massnahmen reagieren wer-
den, weiss man noch nicht.
Aber bereits zuvor haben Sie
eine Bevölkerungsumfrage
lanciert. Was bezwecken Sie
damit und wozu sollen die Er-
gebnisse dienen oder allenfalls
verwendet werden?
Zingg: Die aktuell stattfindende
Bevölkerungsumfrage hat nichts
mit der aktuellen finanziellen
Situation der Stadt zu tun. Auf
Grund eines überwiesenen par-
lamentarischen Vorstosses hat
sich der Stadtrat zur Aufgabe ge-
macht, periodisch eine Bevölke-
rungsumfrage durchzuführen.
Dies gehört zur heute wichtigen
Mitwirkung oder dem Einbezug
der Bevölkerung in die Entwick-
lung ihrer Stadt. Das Ergebnis
der Umfrage fliesst auch ein in
die Legislaturplanung des Stadt-
rates.
«Olten hat in den letzten fünf
Jahren praktisch keine Arbeits-
plätze verloren.»
Trotz Sparmassnahmen, Ol-
ten befindet sich im Umbruch.
Zahlreiche Bauvorhaben be-
finden sich in der Realisie-
rungsphase oder sollen dem-
nächst in Angriff genommen
werden. Können Sie uns einen
kurzen Überblick verschaffen,
was derzeit gerade in Olten
realisiert wird?
Zingg: Innenstadt, Bahnhof-
Ost, diverse Erschliessungen zu
Wohngebieten Bornfeld, Klein-
holz und Olten SüdWest, Damm-
brücke (Langsamverkehrsachse
in Naherholungsgebiet Gheid),
Sanierung Stadthaus. Dazu sind
Planungen beziehungsweise De-
tailprojektierungen in Arbeit im
Bereich Bahnhof-West (Platzge-
staltung) und Attraktivierung
Aareraum (Andaare).
Die rege Bautätigkeit deutet
daraufhin, dass Olten über
einen gewissenNachholbedarf
verfügt. Hat man in der Drei-
tannenstadt die Jahrhundert-
wende verschlafen?
Zingg: Nein. In den letzten
fünf Jahren hat die Stadt In-
vestitionsvolumina von durch-
schnittlich 10 bis 20 Millionen
Franken realisiert (neben Wert-
erhalt auch Neubauten – Werk-
hof, Feuerwehrmagazin, Sport-
anlagen etc., Bauten im Schul-
bereich). Bei den beiden ganz
grossen, eminent wichtigen kan-
tonalen Projekten (ERO Entlas-
tungsstrasse Region Olten und
Neubau Fachhochschule) hat
sich die Stadt mit total gegen 50
Millionen Franken zu beteiligen.
Wenn Sie einen Blick in die Zu-
kunft wagen, wohin wird und
muss sich Olten entwickeln?
Zingg: Die Förderung der Attrak-
tivität Oltens als Wohnstandort,
die systematische Förderung als
schweizerischer Standtort für
Dienstleistungen (SBB, Bildung-
Fachhochschule etc.) steht klar
im Vordergrund der Entwick-
lung. Die Erreichbarkeit unse-
rer Stadt und Region, der wich-
tigste Bahnhof der Schweiz zu
sein und die ausgezeichnete Zu-
sammenarbeit in der Region,
eben auch über Kantonsgrenzen
hinaus müssen weiter gefördert
und/oder vorangetrieben wer-
den. Olten hat alleine in den letz-
ten fünf Jahren praktisch keine
Arbeitsplätze verloren und wird
bis zum Jahre 2015 über 1500
neue Arbeitsplätze im Bereich
SBB und anderen Dienstleistun-
gen erhalten.
Mit dem EHC Olten ist auch
ein sportliches Aushänge-
schild zu neuem Leben er-
wacht und bereits wird heftig
mit einer Rückkehr in die Na-
tional League A geliebäugelt.
Die Eishalle Kleinholze eignet
sich dazu aber nicht. Betrach-
ten Sie die Entwicklung beim
EHCO als Stadtpräsident eher
mit Freude oder mit Sorge?
Zingg: Der Oltner Souverän
(Stimmvolk) hat mit überragen-
dem Mehr einem ausgezeichne-
ten Renovations- und Erneue-
rungsprojekt der Eishalle Klein-
holzzugestimmtunddamit einen
Kredit von 12 Millionen Franken
bewilligt. Es ist sehr erfreulich,
dass zur Zeit der EHCO sport-
lich erfolgreich ist und finanziell
gut da steht. Die zum Teil immer
wieder hochkommenden «pole-
mischen» Aussagen – von wegen
Eignung der «neu renovierten»
Halle – entbehren nach Meinung
der verantwortlichen Behörden
jeglicher Grundlage. Nach Ab-
schluss der etappenweise vor-
zunehmenden Arbeiten ist die
Kleinholz-Halle ein absolutes
Schmuckstück für den Eissport
und eignet sich für die geforder-
ten Aufgaben sehr gut.
«Olten ist eine wunderbare
Stadt und hat, zusammen mit
der Region, eine ausgezeichnete
Chance, für eine erfolgreiche
Zukunft.»
Im Sommer verfügt Olten im
Zentrum über eine neue ge-
staltete Kirchgasse. Diese soll
belebt werden und zum Le-
bensmittelpunkt werden. Aus
der Bevölkerung sind zahlrei-
che Vorschläge eingegangen,
wie dies geschehen soll (Eis-
bahn, Kulturplattform, Kin-
derspielplatz usw.). Wie stel-
len Sie sich das künftige Leben
in der neuen Kirchgasse vor?
Zingg: Im Rahmen der Mitte
Jahr abgeschlossen Arbeiten in
der Kirchgasse wurde ein Wett-
bewerb über Nutzungen des
neu entstehenden Kirchplatzes
durchgeführt. Es wurden einige
ausgezeichnete Projekte aus der
Mitte der Wettbewerbsteilneh-
menden präsentiert. Daneben
gilt es auch Bewährtes (Monats-
markt, Wochenmarkt, zukünftig
auch 1. August-Feierlichkeiten
etc.) in der dannzumal neuge-
stalteten Innenstadt zu positio-
nieren beziehungsweise zu eta-
blieren.
Zum Schluss gewähren wir
dem «Stapi» noch einen
Wunsch. Was soll 2013 in Er-
füllung gehen?
Zingg: Olten ist einewunderbare
Stadt und hat, zusammenmit der
Region, im funktionalen Raum
AareLand, eine ausgezeichnete
Chance, für eine erfolgreiche
Zukunft. Es gilt unter allen Um-
ständen das vorhandene Netz-
werk zu erhalten und auszunüt-
zen. Wenn die finanzielle Situ-
ation sich in den nächsten drei
Jahren wieder verbessert, muss
versucht werden, die geplanten
Entwicklungsprojekte zu prio-
risieren und dann zu realisie-
ren. Nach 16 Jahren Tätigkeit
– aus meiner Sicht auch recht
erfolgreichen Jahren – kandi-
diere ich nicht mehr für das Amt
des Stadtpräsidenten. Es wäre
schön, wenn ich wiederum in
den Kantonsrat des Kantons So-
lothurn gewählt und mich dort
weiterhin auch auf kantonaler
Ebene für eine erfolgreiche Ent-
wicklung meiner Stadt und Re-
gion einsetzen könnte. Als ge-
wählter Vize-Präsident wäre
es für mich sehr ehrenvoll, im
Jahre 2015 das Amt des «höchs-
ten Solothurners» zu bekleiden.
Interview: Walter Ryser
Bild: zVg
Stadtpräsident Ernst Zingg
ENDE NACH 16 JAHREN
Die Ära von Ernst Zingg als
Stadtpräsident von Olten
geht dem Ende entgegen.
Ende März wird er sich nicht
mehr zur Wiederwahl zur
Verfügung stellen. Der am
6. Juni 1951 geborene Zingg
war insgesamt 16 Jahre lang
Stadtpräsident in Olten. Zu-
gleich sitzt er als FDP-Ver-
treter im Solothurner Kan-
tonsrat, dem er weiterhin
angehören will. Zingg ist ver-
heiratet und Vater von vier
erwachsenen Kindern.