Page 7 - Solothurner Nachrichten - KW 52 - 2022
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DIENSTAG, 27. DEZEMBER 2022 SEITE 7
Ältere Frauen und Erwachsene DIE STIMME DER KMU UND DER WIRTSCHAFT
ertrinken häufiger
Notverordnungen Strom:
Für das diesjährige Wassersicher- Weniger erfreulich sieht die Tendenz bei Unwirksam und
heitsforum, organisiert durch die Be- den Jugendlichen und Erwachsenen ab
ratungsstelle für Unfallverhütung BFU 15 Jahren aus. In den Jahren 2011 bis Inkompetent
und die Schweizerische Lebensret- 2021 sind mit 344 Fällen 22% mehr Men-
tungs-Gesellschaft SLRG, wurden die schen ertrunken als in den 11 Jahren zu- «Kannst Du es mir erklären: Die erste
Ertrinkungszahlen der letzten gut 20 vor (281 Fälle). Die Zunahme zeichnet Massnahme im Fall einer Stromman-
Jahre analysiert. Zwar liegt die Er- sich in jedem Alterssegment ab. Ein hö- gellage ist die Beschränkung der
trinkungsrate in der Schweiz im Ver- heres Alter ging dabei mit einer erhöh- Waschtemperatur auf 40 Grad? Meint
gleich zu anderen Ländern tief, jedoch ten Zunahme der Fallzahlen einher. In der Bund wirklich, die Strommangel-
bereiten den Analysten die Entwick- der Altersgruppe über 64 Jahre betrug lage hat vor allem mit dem Wäsche-
lungen bei Jugendlichen und Erwach- die Zunahme sogar 57%. Im Vergleich waschen zu tun?»
senen, insbesondere Frauen, über 64 hierzu nahm die Bevölkerung der Ju-
Jahren Sorgen. gendlichen und Erwachsenen im glei- Das fragte mir ein Kollege, der erst
chen Zeitraum nur um 10% zu, bei den noch Techniker ist. Er las die vom
An der diesjährigen Forumsveranstal- über 64-Jährigen um 23%. Vor allem bei Bundesrat vorgeschlagenen Entwürfe
tung wurde das Ertrinkungsgeschehen den älteren Erwachsenen zeigte sich für die Notverordnungen Strom an.
der letzten rund 20 Jahre diskutiert. Da- ein neuer Trend. Zwar wiesen beide Ge- Sie enthalten die Massnahmen, die
für analysierte die BFU die tödlichen schlechter mehr Fälle auf, jedoch war eingeleitet werden, wenn eine Strom- Bild: zVg
Ertrinkungsunfälle in der Schweiz zwi- die relative Zunahme bei den Männern mangellage ausgerufen werden sollte. ZUR PERSON:
schen 2000–2021. Tatsächlich sind die mit +48% nur halb so gross wie bei den Einige «Leckerbissen» dieser Verord- Henrique Schneider ist Verleger
tödlichen Ertrinkungsunfälle bei Kin- Frauen mit +100%, also einer Verdoppe- nung sind: der Umwelt Zeitung. Der ausgebil-
dern im Zeitraum 2011–2021 im Ver- lung. Dieser Trend wird auch in anderen, • «Waschmaschinen in privaten dete Ökonom befasst sich mit Um-
gleich zum vorhergehenden Jahrzehnt internationalen Studien beschrieben. Haushalten dürfen mit einer Was- welt und Energie aber auch mit Wirt-
um drei Fälle zurückgegangen. Im Al- Dennoch waren Männer mit einem An- sertemperatur von maximal 40°C schafts- und internationaler Politik.
terssegment der 0- bis 9-Jährigen war teil von 85% am häufigsten Opfer eines betrieben werden.»
eine Abnahme von fünf Fällen zu be- tödlichen Ertrinkungsunfalles. Vor allem • «Die Ladenöffnungszeiten müssen
obachten, bei den 10 bis 14-Jährigen die Altersspanne zwischen 15 und 24 um […(1-2)] Stunden pro Tag redu- Denn dieser Verordnungsentwürfen
zeigte sich jedoch eine leichte Zunahme Jahren sticht im Geschlechtervergleich ziert werden.» mit diesen abstrusen Vorschlägen
von zwei Fällen. Die Abnahme bei den 0 heraus. Zwischen 2011 bis 2021 waren • Verbot vom «Betrieb von Video-, kommen von der Stromwirtschaft.
bis 9-Jährigen ist besonders erfreulich, die Opfer in diesem Alterssegment in DVD- und Blue-Ray-Geräten, Zwar hat sie der Bundesrat zur Ver-
da im gleichen Zeitraum der entspre- 93% der Fälle männlich, was einer relati- Spielkonsolen und Gaming-Com- nehmlassung freigegeben. Doch wer
chende Bevölkerungsanteil um 13% zu- ven Zunahme von 8% entspricht. pd putern.» sie zu Papier gebracht hat, war das
genommen hat. www.slrg.ch • Verbot von «Streaming-Diensten Bundesamt für wirtschaftliche Lan-
zu Unterhaltungszwecken.» desversorgung. Konkret war es dort
• Beschränkung der Höchstge- die Notfallorganisation für die Strom-
STELLENANZEIGE schwindigkeit auf «100 km/h auf bewirtschaftung Ostral. Und diese
Autobahnen.» wird allein von der «Stromwirtschaft»
alimentiert.
Man muss keine fünf Sekunden nach-
denken, um den offensichtlichen Un- Entsprechend einseitig sehen die Ver-
sinn dieser Massnahmen zu erken- ordnungen aus. Die Stromproduzen-
nen. Wie will man die Temperatur der ten und Netzbetreiber bekommen al-
Waschmaschinen kontrollieren? Muss les, nämlich die Freiheit, das zu tun,
in jedem Wäschekeller ein Polizist pi- was sie wollen. Die Bevölkerung und
ket stehen? Und dann soll man nicht die Wirtschaft müssen die Kosten be-
streamen, aber fernsehen geht? zahlen und sich einschränken.
Ist den Autoren der Vorlage entgangen, Das ist das übliche Spiel in Bundes-
dass mittlerweile in den meisten Haus- bern. Die Verantwortungsträger sind
halten das gleiche Gerät TV und Strea- überfordert, um nicht zu sagen, in-
ming macht? Ihnen muss auch ent- kompetent. Die anderen erkennen die
gangen sein, dass man auch an einem Schwäche und nützen sie gnaden-
normalen Computer gamen kann. los aus. Die Überforderten delegie-
ren die Entscheide an die Nutznies-
Starker Tobak ist die Geschwindig- ser. Dann stülpt man dem Ganzen ein
keitsbegrenzung auf der Autobahn. Es demokratisches Mäntelchen über und
geht um eine Strom-Notverordnung. schon sind alle aus dem Schneider.
Nicht einmal 3 Prozent der Schweizer Die Überforderten können sagen, sie
Flotte fährt elektrisch. Eine Geschwin- setzen den politischen Willen um. Die
digkeitsbegrenzung auf der Autobahn Nutzniesser können sagen, sie han-
hat also nichts mit der Bewirtschaf- deln gemäss dem politischen Willen.
tung von Strom zu tun.
«Was ist aber, wenn es wirklich zu einer
Der Techniker-Kollege stellt resigniert Strommangellage kommt?» fragt mein
fest: «Diese Verordnungen sind reiner verdutzter Kollege. Die ehrliche Ant-
politischer Aktivismus und haben mit wort ist: Dann kommt sie und Strom
dem technischen Problem nur wenig wird abgestellt. Jeder Zweijähriger
gemeinsam.» Besser auf dem Punkt weiss, dass oben erwähnte Massnah-
bringen, kann man es kaum. Leider ist men nicht umsetzbar und deshalb un-
aber selbst diese Interpretation wohl- wirksam sind. Der Bundesrat weiss es
wollend. und die «Stromwirtschaft» weiss es.
Doch das interessiert sie nicht.
In Wirklichkeit herrscht Punkte Strom-
mangellage absolute Inkompetenz Im Übrigen: In einer Vorversion dieser
in Bern. Das federführende Departe- Verordnungen hätte der Betrieb von
ment, das Wirtschaftsdepartement Kaffeemaschinen vor 6 Uhr morgens
von Bundesrat Guy Parmelin, ist über- verboten werden sollen…
fordert. Die Realitätsferne dieser Ver-
ordnungsentwürfe sind eindrückliche
zeugen dieses Versagens. Nicht nur
hat man keinen Mut, der Bevölkerung
die Wahrheit zu sagen. Man hat auch Ihre Meinung zu diesem Thema inter-
keine Kraft, sich gegen die «Strom- essiert uns. Schreiben Sie per Mail an:
wirtschaft» durchzusetzen. schneider@umweltzeitung.ch